SPD-Fraktion frägt sich "Hat Handwerk noch goldenen Boden?"

18. Dezember 2019

Wissen Sie eigentlich was ein „Bachelor Professional im Bäckereihandwerk“ oder ein „Bachelor Professional im Friseurhandwerk“ ist? Ja richtig, es ist der gute alte Bäckermeister bzw. der Friseurmeister "Noch höherwertige duale Ausbildungsstufen, wie die zum Betriebswirt oder zum Informatiker, erhalten künftig den Zusatz „Master Professional“. Wer als Geselle die erste Fortbildungsstufe durchläuft, darf den Titel „Geprüfter Berufsspezialist“ tragen.
Mit den neuen Bezeichnungen will Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) nicht nur die duale Berufsausbildung aufwerten und eine Analogie zu Universitätsabschlüssen herstellen. Sie will die deutschen Berufsabschlüsse auch im Ausland verständlicher machen." (Quelle: Christiane Christiane Habermalz "Neues Label für die alten Meister" Deutschlandfunk 15.05.2019)

Braucht unser international anerkanntes duales Ausbildungssystem, das sich sogar die Chinesen als Vorbild nehmen wollen, wirklich eine solche Aufwertung durch englisch klingende Berufsbezeichnungen, von denen unser Neudeutsch schon voll genug ist?
Wir von der SPD-Fraktion im Neutraublinger Stadtrat sind immer wieder verblüfft, warum sich für Ausschreibungen der Kommunen, auch von unserer Stadt immer weniger Handwerksfirmen finden, die sich für ein Bau- oder Ausbauvorhaben der Stadt Neutraubling bewerben wollen. In manchen Kommunen kommen nach einer Recherche von BR24 am 04.12.2019 erst bei der 4. Ausschreibung Bewerbungen. Das kostet den Kommunen Zeit und vor allem Geld, weil sich Bauvorhaben enorm verzögern.

"Es ist derzeit ein bayernweiter Trend. Wir müssen reihenweise Verfahren aufheben, weil sich keine oder keine geeigneten Bewerber finden. Das stellt uns vor schwerwiegende Probleme. Denn die Gelder bleiben liegen und wir können unsere Budgets nicht wie geplant ausgeben." sagt Hans-Peter Mayer vom Bayerischen Gemeindetag.

Woran liegt das?
Nach Recherchen von BR24 liegen die Gründe für das gesunkene Interesse an öffentlichen Aufträgen zum einen im aktuellen Bauboom und in der Tatsache, dass Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen meist deutlich länger auf ihr Geld warten müssen als bei privaten Auftraggebern. Zum anderen ist es auch das ziemlich bürokratische Vergabeverfahren, das viele Firmen abschreckt. Ein weiterer Grund ist der Bauingenieurmangel, der zu einem kommunalen Planungsstau führt, so BR24. Wenn das so stimmt, haben wir also zu wenig junge Menschen, die nach der Schule einen Handwerksberuf oder einen technischen Beruf ergreifen wollen. Das mag z.T. an den Arbeitszeiten (Bäckerhandwerk) oder an den Arbeitsbedingungen (Baustellenarbeit in Installations- und Ausbauberufen) liegen.

Sind unsere jungen Leute wirklich nicht mehr bereit, sich die Hände schmutzig zu machen oder die Lernmühsal bei technischen Studiengängen auf sich zu nehmen? Nein, wir glauben eher, dass es hier ein deutliches Imageproblem für diese Berufe gibt.

Gymnasiale Ausbildung mit Abitur und Studium gilt noch bei vielen Eltern als der "Königsweg" für ihr Kind und erweckt bei den Schülern die Vorstellung, durch diesen Weg immer zu einem sicheren und hohen Einkommen und gesellschaftlicher Anerkennung zu gelangen. Handwerkliche Berufe und duale Ausbildung haben dabei einen deutlich geringeren sozialen Stellenwert als sogenannte "Weiße Kragenberufe".

Vergleicht man allerdings die Verdienstmöglichkeiten in vielen akademischen Berufen mit den Einkommen von Handwerksmeistern, wird man sehr schnell feststellen, dass sich hier die Reihenfolge umgekehrt hat. Handwerk hat, wie es scheint, doch wieder goldenen Boden.

Es gibt sicherlich noch viele Ausbildungsberufe im Erziehungs- oder Pflegebereich, die miserabel bezahlt werden, bei denen die Ausbildung zu lange dauert und sogar noch etwas kostet (Erzieherinnen) und die deshalb enorme Nachwuchsprobleme haben. Wir im Stadtrat von Neutraubling und die gewählten Vertreter vieler Umlandgemeinden können ein Lied davon singen, weil sich inzwischen die Kommunen und Kindergartenträger mit Lohnzuschlägen die Erzieherinnen abspenstig machen. Die Letzten beißen dabei die Hunde und es ist absehbar, dass man viele Kindergärten wird schließen müssen, wenn diese Entwicklung ohne Unterstützung durch den Bund oder das Land Bayern einfach so weiter geht.

Muss man die Kindergärten und Hortplätze irgendwann so teuer machen, dass es sich nur noch reiche Familien leisten können, ihre Kinder dorthin zu schicken? Wir von der SPD - Fraktion haben deshalb auch im Stadtrat Nein gesagt zur Gebührenerhöhung im Hort.

Sicher ist das Sozialprestige eines Anwalts oder Arztes momentan viel höher als das eines Heizungsinstallateurs. Wenn im Winter jetzt ihre Heizung kaputt geht, wird Ihnen ein Arzt oder ein Anwalt aber nicht recht weiterhelfen.

Umdenken beginnt immer im Kopf. Vielleicht sollten wir alle ein bisschen mehr über den Stellenwert von Handwerks-, Pflege- und Erziehungsberufen nachdenken, weil man diese möglicherweise in Bälde dringend für sich selbst braucht.

SPD-Fraktion
Hermann Achmann, Gabriele Drallmer, Markus Pesth, Ingrid Winklmeier

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